Auf einer Bank mit … LG {T 8}

Wolkengebilde 03
Bildrechte ThM

von Pfarrer Thomas (Miertschischk)

Danke für die dunklen Weizen!

???

Auf einer Bank. Von Claus weit und breit keine Spur.

Hier bin ich. In Deiner Brusttasche.

??? – Ich habe an meinem Shirt überhaupt keine …

Doch! Plötzlich habe ich eine Brusttasche. Und aus dieser Brusttasche schaut ein Männchen heraus.

Sind Sie ein Verwandter vom kleinen König Dezember?

Ich dachte eher an „Der kleine Mann“. Das Buch hast du sehr gemocht, als du jung warst.

Das von Erich Kästner? Daran habe ich ja ewig nicht mehr gedacht. Vermutlich zum letzten Mal, als ich „Der kleine König Dezember“ gelesen habe. Weil die ja beide in der Brusttasche. Muss ich mir gleich merken für meine Kinder.
Aber wer sind Sie eigentlich? Etwa …

Genau: der liebe Gott. Von mir aus auch gerne einfach nur „Gott“. Wenn es sein muss auch deine Lieblingsbezeichnung für mich.

Ich bin zwar in letzter Zeit schon dem Teufel und dem Engel Gabriel sowie den Himmlischen Heerscharen begegnet. Dennoch bin ich überrascht, lasse mir aber nichts anmerken.

„Lebendiger Gott“ als Anrede? Ist das nicht ein bisschen förmlich?

Sagst du doch meistens, wenn du betest.

Hmmm. Aber wo Sie jetzt hier … da kommt mir einfach nur „Gott“ besser vor. – Aber soll ich dann „Gott“ und „Sie“ sagen?

Bitte nicht! Das klingt ja furchtbar. Im Gebet sagst du sogar „Du“ zu mir, wenn du mich ‚förmlich‘ mit „Lebendiger Gott“ anredest. Ist übrigens wirklich ein bisschen hochgestochen, auch wenn ich es immerhin schöner finde als „Lieber Gott“. Das klingt nämlich, als wäre ich ein Kuscheltier oder der Weihnachtsmann oder das Christkind.

Sind Sie, Gott, … also bist du ja auch für viele Menschen. Und im Moment bist du gerade ein kleiner Mann.

Ich dachte halt, es gefällt dir, wenn ich als Gestalt aus einem Kinderbuch daherkomme.

Ist schon ganz nett. Jedenfalls weniger furchteinflößend als ein brennender Dornbusch.
Andererseits: Mein Shirt sieht ohne Brusttasche besser aus. Außerdem können wir uns so schlecht unterhalten, falls das der Zweck deines Besuchs ist. Sieht außerdem aus, als würde ich mit mir selbst sprechen.

So besser?

Neben mir sitzt Gandalf – genau wie im Film.

Ähm … eigentlich schon. Schließlich ist Gandalf für die Hobbits ja sowas wie ein Vater oder Opa. Und da ich keinen Vater oder Opa im klassischen Sinne hatte … doch, Gandalf passt.

Schön. Ist mir ehrlich gesagt auch lieber, als in der Brusttasche zu schwitzen.

Und was verschafft mir nun die Ehre, den lie… – also Gott selbst zu treffen?

Du wolltest mich doch treffen.

Stimmt schon. Aber ich war mit der Begegnung mit dem Teufel doch auch ganz zufrieden – und mit Gabriel. Außerdem bist du ja grundsätzlich immer Da. Das ist in der Bibel schließlich dein Name.

Soll ich wieder verschwinden und nur „grundsätzlich“ dableiben?

Nein, nein! Auf keinen Fall. Ich habe ja so viele Fragen an dich.

Zum Beispiel wolltest du mich nach meinem Ausweis fragen, wenn du mich triffst.

Zumindest habe ich vermutet, dass ich es im Fall des Falles tun würde.

Und? Soll ich ihn dir zeigen?

Was sollte das bringen? Wer in einer vorher nicht vorhandenen Brusttasche als kleiner Mann und anschließend als Gandalf erscheinen kann, für den ist Ausweisfälschung auch kein Problem.

Das stimmt allerdings.

Das ist ja überhaupt eines der Grundprobleme mit dir: Wie soll ich jemals sicher wissen, ob ich es tatsächlich mit dir zu tun habe oder mit einem Scharlatan, einer teuflischen Täuschung oder einer Wunsch- oder Wahnvorstellung.

Du kannst es nicht wissen.

Das ist mir schon klar. Deshalb traue ich ja auch niemandem, der behauptet, er wisse sicher, dass er dir persönlich begegnet sei oder dass du genau dies und das gesagt oder gefordert oder selbst in der Bibel oder wo auch immer aufgeschrieben hättest.

Das ist auch gut so. – Traust du denn dir selbst?

Das ist eine schwierige Frage. Ich würde mal so sagen: Solange ich mir selbst nicht zu sehr traue, traue ich mir; und wenn es dann davon zu viel wird …

Also mit anderen Worten: Du willst vermeiden, dir selbst zu sicher zu sein. – Das ist ganz der nüchterne und skeptische Thomas, als den ich dich kenne.

Du meinst wohl, als den du mich geschaffen hast?

Nein. Ich meine genau das, was ich gesagt habe. Dass ich der Schöpfer bin, heißt doch nicht, dass ich alle deine Charakterzüge festgelegt hätte.

Jetzt sind wir genau bei den schwierigen Fragen, in die ich mich ansatzweise auch schon mit Herrn T und mit Gabriel verwickelt hatte, und die ich dir sowieso stellen wollte.

Nämlich?

Na ja: Wie sieht die Welt aus der Sicht der Ewigkeit, also aus deiner Sicht aus? Warum sind wir Menschen so, wie wir sind? Warum ist die Welt so, wie sie ist? Warum hast du die Welt geschaffen? Steht die Zukunft fest? Warum leiden Menschen und Tiere? Gibt es eine höhere Gerechtigkeit? Steigt Nürnberg ab …

Moment, nicht so schnell! – Um die Fragerei ein bisschen abzukürzen: Du willst also alles wissen, was ich weiß?

Na ja … irgendwie schon … Tschulligung!

Also erstens: Ich „weiß“ nicht – jedenfalls nicht in irgendeinem menschlichen Sinne des Wortes.
Außerdem: Du kennst doch die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.

Du meinst 42, wie bei Douglas Adams? Ha, ha, ha. Da weiß ich sogar die Frage dazu: 6 mal 7. Und damit „weiß“ ich ja dann schon mehr als du.

Ich meinte das ernst mit der 42. – Die Frage könnte übrigens auch 3 mal 14 oder 2 mal 21 oder 20 plus 22 lauten oder …

… ja, ja, oder viel komplizierter. – Wollen wir jetzt mathematische Spielchen machen?

Tschulligung! – Bleiben wir lieber bei der Antwort: 42.

Ok. Douglas Adams will uns damit vor Augen führen …

Du weißt doch bestimmt, dass sich schon Heerscharen von euch Menschen darüber den Kopf zerbrochen haben, was er mit 42 gemeint hat.

Ja. Und er selbst hat gesagt, dass die Zahl keine besondere Bedeutung hat.

Eben das könnte doch der Witz im doppelten Sinne sein: Eine Zahl an sich bedeutet nichts, meint nichts.

Und?

Damit will ich dir sagen, dass es nicht besonders erfolgversprechend ist, eine klare und eindeutige Antwort auf „Alles“ zu verlangen. Du könntest mit einer solchen Antwort nichts anfangen. Sie hätte für dich keinerlei Bedeutung. Du würdest höchstens versuchen, ihr auf Teufel komm raus eine Bedeutung zu verleihen.

So wie viele „Per Anhalter“-Fans das mit der 42 versucht haben.

Und viele andere Menschen mit angeblichen oder tatsächlichen Offenbarungen von mir.

Bei mir ist ja neulich tatsächlich der Teufel rausgekommen.

Ist doch besser, dem Teufel zu begegnen, als fest überzeugt zu sein, die echte und wahre Antwort zu kennen.

Stimmt. Denn dann dürfte ich nach meiner eigenen Regel mir selbst nicht mehr trauen.
Aber du hast doch vorhin gesagt, dass du das ernst meinst mit der 42. Das heißt doch, 42 ist die echte und wahre Antwort.

Ist es ja auch in gewissem Sinne – gerade weil sie keine Bedeutung hat.

Also … dann sagst du mir mit der Antwort 42 genau das Gleiche, was du damals Hiob aus dem Wettersturm auf seine Fragen geantwortet hast.

Könnte man so sehen. Nur dass Hiob keine grundsätzlichen Fragen gestellt hat, sondern seine persönliche Not und Anklage und Angst und Sehnsucht in seine Fragen und Klagen hineingelegt hat. Deshalb war die „42“, also meine Antwort, bei ihm auch ausführlicher und persönlicher.

Aber im Endeffekt hast du ihm auch nur gesagt, dass er dich nicht verstehen kann, oder?

37

???

Jetzt versuchst du schon wieder, eine einfache und klare Antwort auf eine komplizierte Frage zu bekommen.

Tschulligung! – Äh …

Und jetzt frag mich bitte nicht, was 37 bedeutet.

Puh. Langsam verstehe ich, warum Claus gesagt hat, dass theologische Diskussionen mit dir keinen Sinn machen.

Hat er das gesagt? – Interessant.
Aber zurück zum Thema: Du als Theologe solltest eigentlich wissen, dass es gerade in der Bibel nicht auf einzelne klare Antworten ankommt, sondern auf die Erlebnisse der Menschen mit mir und miteinander, auf die Geschichten mit Freude und Leid und allem, was euer Leben so ausmacht. Darüber hast du übrigens neulich erst gepredigt – jedenfalls so ungefähr.

Das stimmt.
Aber wie ist das bei deiner Antwort an Hiob? Da bist du doch auch nicht wirklich auf sein Leid und seine Sehnsucht, auf seine Geschichte mit dir eingegangen.

Auf seine Sehnsucht schon: Er ist mir begegnet. Und das war viel wichtiger als meine Antwort an ihn.

Schweigen.

Claus hat übrigens auch gesagt, dass du ein sehr guter Zuhörer bist.

Wenn ich nicht ständig mit grundsätzlichen Fragen bombardiert werde …

Gott?

Ja, ich bin Da.

Könntest du vielleicht noch ein bisschen hier mit mir sitzen bleiben und einfach nur schauen?

Gerne.